Für einige Wochen ist in der St. Josefskirche Marktheidenfeld eine Kunstinstallation von Christian Schlosser und Simon Schacht aufgestellt. Sie hat die schwierige Situation von Kunst und Kultur in Corona-Zeiten zum Thema. In einem „musikalischen Abendgebet“ am 31.1.21 (Saxophon: Thomas Grön, Gesang: Marlies Grollmann) wurde dieses Thema aufgegriffen und auch mit der Frage nach dem Glauben verbunden:
Was braucht der Mensch?
Wovon lebt er in dunklen Zeiten, in Krisen?
Die Politik hat schnelle Antworten: Medizinische Versorgung zuerst! Krankenhausbetten, Schutzkleidung, Impfstoff. Darauf konzentrierte sich zunächst alles. Zu Recht!
Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger sind systemrelevant, so hieß es. Weitere Personengruppen kamen dazu: Rettungsdienste, Polizei, Busfahrer, aber auch Erzieherinnen, Müllmänner, Apotheker.
Was brauchen wir in Krisenzeiten?
Die Menschen dachten da ganz praktisch: Toilettenpapier, Nudeln, Fertigsuppen.
In Hamsterkäufen wurden Vorräte angelegt: Überlebensmittel für schlechte Zeiten.
Die Politik legte nach: Die Wirtschaft müssen wir stützen, die Hotels- und Gaststätten, die Lufthansa, die Touristikbranche.
Man entdeckte, wie wichtig Kinderbetreuung ist und wie aufwändig, man klatschte Beifall für das Pflegepersonal, man lernte, wie home office und home schooling funktionieren.
Mit dieser Kunstinstallation macht das Künstlerduo Christian Schlosser und Simon Schacht darauf aufmerksam: Ihr habt etwas vergessen. Wir leben nicht nur von Gesundheitsversorgung und Arbeitsplätzen, wir brauchen nicht nur Lebensmittel und Unterhaltssicherung. Wir leben auch von Kunst und Kultur.
Was macht es mit einer Gesellschaft, wenn die Museen und Bibliotheken, die Theater und Kinos geschlossen sind? Was macht es mit uns, wenn es keine Konzerte mehr gibt und keine Ausstellungen, kein Kabarett und keinen Liederabend?
Brauchen die Menschen in dieser Krisenzeit die Kunst? Brauchen sie die Religion? Sind Kultur und Religion systemrelevant?
Unsere beiden Künstler sagen: ja. Aus den Scherben einer zusammengebrochenen Kulturlandschaft blühen Blumen auf.
Kunst und Religion haben etwas gemeinsam: Sie öffnen unseren Blick für das, was hinter der Oberfläche liegt. Sie berühren das Herz. Sie bringen die Seele zum Schwingen. Sie geben dem Leben Tiefe.
Die Dichterin Hilde Domin bringt in einem Gedicht zum Ausdruck, dass das Gewöhnliche, vordergründig Erwartete nicht ausreicht. „Denn“, so schreibt sie, „wir essen Brot, aber wir leben von Glanz.“ (Hilde Domin, Die Heiligen).
Und Johann Wolfgang von Goethe gibt den viel zitierten Ratschlag: „„Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“
Könnte es sein, dass wie die Kunst auch der Glaube lebenswichtig ist? Systemrelevant gewissermaßen?
Das hebräische Wort ämän, das das Alte Testament für „glauben“ verwendet, heißt wörtlich übersetzt: „sich festmachen“. Das ist es, was ich mir in einer Krise wünsche: einen Halt, an dem ich mich festmachen kann, wenn alle gewohnten Sicherheiten zerbrechen. Wer glaubt, sucht diesen Halt bei Gott.
Menschen Halt und Hoffnung zu geben, den Lebenden und den Sterbenden, den Gesunden und den Infizierten – wer das tut, der ist für mich systemrelevant.
Text: Dr. Klaus Roos